- Rainer Olzem
Wie wurde La Palma geboren? Geologischer Überblick (Teil I)
La Palma, mit vollem Namen San Miguel de la Palma, ist mit 706 km² Fläche und mit einer maximalen Höhe von 2.426 m über dem Meeresspiegel die fünftgrößte und zweithöchste der Kanarischen Inseln. In Nord-Süd-Richtung besteht die Insel aus 2 großen, aufgrund ihrer geologischen Entstehungsgeschichte unterschiedlichen Vulkankomplexen, die durch einen markanten Sattel voneinander getrennt sind:
Im Norden der alte riesige und dominante Schildvulkan (das entsteht durch die Übereinanderlagerung zahlreicher basaltischer Lavaströme) mit der Caldera de Taburiente in der Mitte, im Süden die geologisch junge und bis heute aktive Cumbre Vieja-Vulkankette und dazwischen die sichelförmige Struktur der Cumbre Nueva. Der Ozeanboden fällt westlich der Insel bis auf 4.000 m Tiefe ab. Damit ist der Vulkankomplex mit mehr als 6.400 m Höhe einer der höchsten der Erde.

Das submarine Stadium
La Palma hat - typisch für alle ozeanischen Vulkaninseln - zwei signifikante Stadien der geologischen Entwicklung durchlaufen, nämlich zuerst das submarine Stadium auf dem Grund des Atlantiks bis zur Meeresoberfläche und anschließend das subaerische Stadium oberhalb der Meeresoberfläche.
Der vulkanische Aufbau der Insel La Palma begann vor 5,3 bis 2,6 Millionen Jahren im geologischen Zeitalter des Pliozäns mit einer mehr als 1.000 m hohen submarinen Aufwölbung des Ozeanbodens. Diese Aufwölbung wurde vermutlich durch Bruchlinien in der ozeanischen Afrikanischen Platte in Kombination mit einem Hotspot (Wärmezentren mit vulkanischer Aktivität in tieferen Zonen des Erdmantels, die über die ozeanische Kruste hinwegdriften) begünstigt.

Die mit weniger als 10 km Dicke relativ dünne, nach Osten driftende ozeanische Afrikanische Platte drückte (und drückt noch heute) gegen die mehr als 150 km dicke Afrikanische Kontinentalplatte und erzeugte dadurch gewaltige Spannungen in den Basalten des Ozeanbodens. Als die Spannungen die Festigkeit des Gesteins überschritten, bildeten sich Risse und Bruchlinien im Gestein - nach Carracedo et al. (1999) ein sternförmiges Risssystem - das den Aufstieg glutflüssigen Magmas aus dem Erdmantel ermöglichte.
Wenn Magma unterhalb des Wasserspiegels austritt, bilden sich sogenannte Kissen-Laven oder Pillow-Laven, stets ein sicheres Indiz für eine submarine Entstehung. Da Pillows heute bis in Höhen von mehr als 500 m über NN im Barranco de las Angustias und auf dem Grund der Caldera beobachtet werden, ist damit eine größere Hebung des Insel-Sockels von mehreren 1.000 m belegt.
Diese Vertikalbewegung kann auf heftige und lang andauernde Intrusionen von Magma zurückgeführt werden, glutflüssiges Gestein, das sich den Weg über Spalten und Risse in das überlagernde feste Gestein bahnt und dabei das Gestein lockert und allmählich mit anhebt.
Die ältesten Gesteine auf La Palma sind demnach die Pillow-Laven und die magmatischen Intrusionen, die die Pillows kreuz und quer durchschlagen haben. Auf- geschlossen sind die Pillows nur im tieferen Abschnitt des Barrancos de las Angustias und auf dem Grund der Caldera de Taburiente.

Als der Vulkan schließlich vor 2 Millionen Jahren die Wasser-oberfläche erreichte, kam es zum Kontakt der mindestens 1.000°C heißen Lava mit dem Wasser des Flachwasserbereiches an der Meeresoberfläche. Der dabei entstehende Wasserdampf dehnte sich schlagartig mit dem 1.000-fachen Volumen des flüssigen Wassers aus und führte zu sogenannten phreatomagmatischen Eruptionen, die das Gestein in kleinste Teilchen zertrümmerten.
Diese Trümmergesteine aus eckigen Gesteinsfragmenten werden als pyroklastische Sedimente bezeichnet (altgriechisch: pyr = Feuer und klastós = zerbrochen), es sind sogenannte magmatische Brekzien (italienisch: breccia = Bruchstelle Schotter ); sie liegen über den Pillow-Laven. Der Komplex der Pillow-Laven und der Brekzien zusammen wird als Basalkomplex bezeichnet.
Das subaerische Stadium
Oberhalb dieses Basalkomplexes bildeten sich sukzessive vier unterschiedliche Vulkanbauten über der Meeresoberfläche:

1. Vor 1,77 bis 1,20 Millionen Jahren entstand als erstes der sogenannte Garafia-Vulkan. Gesteine dieser ältesten subaerischen Einheit des Garafia-Vulkans, in der Hauptsache Basalte, zeigen sich nur an den Steilwänden der Caldera de Taburiente und auf dem Grund einiger tief eingeschnittener Barrancos an der Nordflanke der Insel: Barrancos Los Hombres, Franceses, Gallegos, El Agua und Jieque. Ansonsten sind sie meist von jüngeren vulkanischen Auswürfen bedeckt. Als der Garafia-Vulkan aufgrund einer Vielzahl von magmatischen Intrusionen, die seine vulkanischen Ablagerungen durchschlugen, und auch wegen seiner Höhe und seines eigenen Gewichts instabil wurde, kollabierte er schließlich vor 1,20 Millionen Jahren.
2. An etwa gleicher Stelle wie der Garafia-Vulkan entstand vor 1,08 bis 0,78 Millionen Jahren der ältere Taburiente-Vulkan,
3. dem vor 0,78 bis 0,41 Millionen Jahren der jüngere Taburiente-Vulkan folgte. Eine Unterscheidung zwischen den Garafia-Ablagerungen und den Vulkaniten des zeitlich folgenden Taburiente-Vulkans ist nur aufgrund der Winkeldiskordanz ihrer Lavaflüsse möglich. Diese unterschiedlichen Fließrichtungen der Laven wurden durch den Einsturz des Garafia-Vulkans und durch die anschließende Bildung des Taburiente-Vulkans innerhalb des Einsturzbeckens hervorgerufen. Anhand der geförderten vulkanischen Produkte kann ein älterer (Lower oder Taburiente I) und ein jüngerer (Upper oder Taburiente II) Vulkan unterschieden werden.
Infolge der Südwanderung des Vulkanismus im letzten Stadium der Bildung des jüngeren Taburiente-Vulkans änderte sich die zunächst konische Form des Vulkankomplexes und weitete sich als länglicher Vulkankegel nach Süden aus. Als der Vulkanismus im Norden der Insel vor rund 500.000 Jahren endete, hatte sich ein massiver Vulkan von 25 km Durchmesser und etwa 3.000 m Höhe aufgebaut. Die Westflanke des Vulkankomplexes stürzte später ein und bildete die Caldera de Taburiente mit ihren steilen Talflanken im Nordwesten und Norden sowie im Osten das Aridane-Tal und die Cumbre Nueva.
4. In der südlichen Mitte der Caldera bildete sich danach vor 0,56 bis 0,49 Millionen Jahren als vierter und letzter Vulkan des nördlichen Schildes der Bejenado-Vulkan.
Rainer Olzem